Was war los in den Feuilletons und Fachmagazinen in den letzten Wochen? Worüber wurde in der Kunstwelt geschimpft, wer waren die Lieblinge der Journalisten? Unsere persönlichen Highlights verlinkt zum nachlesen.
Der Spiegel, Monopol und Arte
Die „Erklärung der Vielen“
Vorab: Es ging diesen Monat sehr politisch zu in den Feuilletons. Natürlich wurde berichtet über die „Erklärung der Vielen“ des Vereins „die Vielen“, der bundesweit lokale Kampagnen initiierte. Allein in Berlin schlossen sich mehr als 140 Kulturinstitutionen der Initiative an und stellten am 9. 11. bei einer Pressekonferenz ihr Bündnis“ als „Berliner Erklärung der Vielen“ vor. Mit ihrer Kampagne will das Bündnis reagieren auf den wachsenden Druck von Rechts: „Der rechte Populismus, der die Kultureinrichtungen als Akteure dieser gesellschaftlichen Vision angreift, steht der Kunst der vielen feindselig gegenüber. Rechte Gruppierungen und Parteien stören Veranstaltungen, wollen in Spielpläne eingreifen, polemisieren gegen die Freiheit der Kunst und arbeiten an einer Renationalisierung der Kultur…“ heisst es unter anderem in der Berliner Erklärung. „Künstler müssen nicht neutral sein“ war die Überschrift eines Artikels dazu von Felix Wellisch in Der Spiegel, mit der er Berndt Schmidt, den Intendanten des Friedrichstadt-Palasts zitiert.
Weshalb sich auch der Hamburger Kunstverein dem Bündnis angeschlossen hat erklärte die Direktorin Bettina Steinbrügge in einem Interview mit Saskia Trebing unter der Überschrift „Man kann nicht mehr wegschauen“ in Monopol, und ARTE fasste die „Erklärung der Vielen“ mit wohlwollenden Tenor in einem Fernsehbeitrag zusammen.
Doch wo Flagge gezeigt wird, lassen Kritiker nicht lange auf sich warten. Und so formulierte der Schriftsteller Uwe Tellkamp („Der Turm“) einen Offenen Brief, in dem er seine Kritik an der Kampagne äußerte. Tellkamp bezeichnete sie als „Tiefpunkt der Debatten- und Toleranzkultur“. Diese „zeuge von nichts anderem als dem moralischen und intellektuellen Bankrott der Initiatoren“. Wenig überraschend befindet Alex Rühle in der Süddeutschen Zeitung Tellkamps Reaktion – für problematisch hält er jedoch, dass Tellkamp den Offenen Brief in der rechten Zeitschrift „Sezession“ veröffentlichte.
Die Welt, Salzburger Nachrichten, Deutschlandfunk Kultur und Detektor fm
Diskussion um Rückgabe von Kolonialkunst
Eine Debatte auf unterschiedlichen Ebenen hat indes ein 200 Seiten starker Bericht der französischen Kunsthistorikerin Bénédicte Savoy und des senegalesischen Ökonomen Felwine Sarr ausgelöst. In Auftrag gegeben hatte den Bericht kein geringerer als der französische Staatspräsident Emmanuell Macron, mit der Absicht die Rückgabe von in französischen Museen befindlicher afrikanischer Kolonialkunst voran zu treiben. Dass es dem Präsidenten ernst ist, machte er unmittelbar nach Veröffentlichung des Berichts deutlich, indem er die Restitution von Objekten aus dem Königsschatz von Dahomey in den heutigen Benin anordnete.
In der WELT titelte Marcus Woeller mit „die revolutionäre Botschaft des Raubkunstberichts“ und unterstreicht damit die gravierende Schlagkraft des Berichts, der „Europa aus seinem postkolonialen Dämmerschlaf rüttle“. Wer Angst davor habe, die europäischen Museen würden infolge von Restitutionsansprüchen „ausbluten“, dem stellten Savoy und Felwine gegenüber: „90 Prozent der materiellen kulturellen Hinterlassenschaften Afrikas haben den Kontinent während der Fremdherrschaft verlassen.“ Was bedeutet, dass sich laut Schätzungen „85 bis 90 Prozent des afrikanischen Kulturerbes in Europa befinden“, fassten auch die Salzburger Nachrichten zusammen.
Der Bericht aus Frankreich setzt auch die Bundesrepublik unter Druck. Obgleich Kulturstaatsministerin Grütters bereits früher verkündet hatte, dass Raubkunst sowie Kolonialkunst zurückgegeben werden müsse, bezog der Kunsthistoriker und Gründungsintendant des entstehenden Berliner Humboldt Forums (wird Museen für außereuropäische Kulturen beherbergen!) Horst Bredekamp indes Stellung gegen eine pauschale Rückgabe der in deutschen Sammlungen befindlichen Kulturgüter aus Afrika. Der Kunsthistoriker begründete dies in einem Interview gegenüber Deutschlandfunk Kultur so: „Es gibt eklatante Unterschiede zwischen den Sammlungen in Deutschland und denen der großen kolonialen Mächte. Und wenn man diese Unterschiede klein macht oder überhaupt zum Verschwinde bringt, dann wird alles im Namen von Diversität gleich gemacht und das halte ich für weder politisch, noch wissenschaftlich noch ethisch für richtig.“ Seine Argumentation bezeichnete Bredekamp als „sammlungsspezifisch“. Deutschland sei „keine Kolonialmacht gewesen“, so der Kunsthistoriker weiter, vielmehr sei das Sammeln im Sinne der deutschen aufklärerischen Tradition geschehen“ und daher sei auch die Situation in Frankreich nicht mit der in Deutschland vergleichbar.
Dem Standpunkt Bredekamps widersprach – ebenfalls in einem Interview gegenüber Deutschlandfunk Kultur – der Kolonialismus-Forscher Jürgen Zimmerer, indem er Bredekamp vorwarf, die „rassistischen Exzesse des 20. Jahrhunderts zu ignorieren„. Zudem habe Bredekamp „ein völlig antiquirtes Verständnis dessen, was Kolonialismus eigentlich ist.“ Elke Buhr, Chefredakteurin von Monopol kritisierte Bredekamp ebenfalls für seine Äußerungen und bezeichnete sie als ein „absurdes Interview“ gegenüber Defektor fm. Bredekamp tue so, „als habe Deutschland keine Kolonialen Verbrechen begangen.“
ART – das Kunstmagazin
Die Berliner Museumslandschaft
„Verwirrung“ ist für Tim Sommer das Stichwort für die Berliner Museumslandschaft, so dass der Chefredakteur von ART – das Kunstmagazin, der Stiftung Preußischer Kulturbesitz einen ausführlichen Hintergrundbericht widmet. Altes Museum, Alte Nationalgalerie, Neues Museum, Pergamonmuseum usw…..die Namen all dieser Museen, so Sommer im Editorial zur ART 11/2018, deckten sich nicht mit ihren Sammlungsinhalten, die zudem über die ganze Stadt verteilt wären. „Die Berliner Museen sind seit fast 30 Jahren eine Wanderbaustelle“. Eine vertane Gelegenheit diagnostiziert Sommer. Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz habe die „historisch einmalige Chance versemmelt, in den bald 30 Jahren seit der Wiedervereinigung sinnvoll neu zu strukturieren und endlich auf Augenhöhe mit anderen europäischen Metropolen in die aktuellen Diskurse einzugreifen.“
Süddeutsche Magazin
Mit Kuscheltieren für die Machtergreifung der Kunst, Jonathan Meese im Interview
In der Münchner Pinakothek der Moderne findet seit Mitte November eine Einzelausstellung von Jonathan Messe statt. Dazu hat Sven Michaelen für das Süddeutsche Magazin ein Interview mit dem Ausnahme-Künstler geführt. In dieser kurzweiligen Unterhaltung erklärt Meese unter anderem weshalb Kuscheltiere so wichtig für ihn sind und kündigt für das Jahr 2023 die Machtergreifung der Kunst und den Beginn eines neuen Zeitalters an. Weniger radikal als in der Malerei scheint dagegen der private Meese zu sein: SZ-Magazin: „Sie gelten als freundlich und sanftmütig. Ist das Ihr Naturell oder Pose? J. Meese: Meine Überfreundlichkeit gibt mir die Energie, in der Kunst radikal zu sein. Wenn ich auch in der Realität radikal wäre, könnte ich in der Kunst nichts bringen.“
Monopol, Sience Magazin
„Undemokratisch“: Die Kunstbranche aus Sicht von Magnus Resch
„Der Kunstmarkt ist undemokratisch“ sagte Gründer und Autor Magnus Resch in einem Interview mit Silke Hohmann für Monopol. Zu diesem Schluss kommt eine Studie, bei der Resch zusammen mit Wissenschaftlern die Karrieren von Künstlern untersucht hat und die im Sience Magazine erschienen ist. Resch Schluss folgert daraus, dass ein kleines Netzwerk von Institutionen den Erfolg für sich „gepachtet“ hätten: „Hier werden die Superstar-Künstler gemacht, die unsere Enkel im Museum bestaunen. Alle anderen sind in Insel-Netzwerken, weit weg vom gelobten Land und ohne große Erfolgsaussichten.“ Ein undurchlässiges Netzwerk mache den Aufstieg somit praktisch unmöglich für Künstler: „Aufstiegschancen gleich null. Fängt man einmal in der Insel an, bleibt man auch da. Der Kunstmarkt gleicht dem Kastensystem in Indien.“ Resch rät Künstlern zu mehr Unternehmergeist und betont, wie wichtig es für Künstler sei zu Netzwerken. Qualität in der Kunst hält Resch indes für inexistent: „Es gibt keine Qualität in der Kunst“. Um besserer Aufstiegschancen für Künstler zu erzielen schlägt Resch politische Interventionen vor, damit Museen auch unbekanntere Künstler ausstellen.
Handelsblatt und Süddeutsche Zeitung
Wohin mit dem teuersten Bild der Welt „Salvator Mundi“?
Vor circa einem Jahr wurde bei Christies das Gemälde „Salvator Mundi“ versteigert. Die Rekordsumme von 450,3 Millionen kam vermutlich nur zustande, da einige Experten das Bild für eine Malerei von Leonardo DaVinci hielten. Als „gelungenes Marketing“ bezeichnet das Handelsblatt den Preisrekord. Christies hatte sogar eine PR-Agentur engagiert um den Hype um das Bild anzukurbeln. Mit Erfolg: Promis wie Leonardo Di Caprio, Patti Smith und Jennifer Lopez kamen um sich das Bild anzusehen, bevor Christies es verkaufte. Ob das Bild tatsächlich aus der Hand des Renaissance-Meisters stammt ist allerdings fragwürdig. Denn, „Die Fiktion bröckelt“ schreibt Kia Vahland in der Süddeutschen Zeitung. Ursprünglich sollte das Bild bereits im September im Louvre in Abu Dhabi ausgestellt werden. Das Museum sagte den Termin jedoch ab. Kunstexperten bezweifeln, dass DaVinci tatsächlich der Urheber der “ männlichen Mona Lisa“ ist.
Art Review, Monopol und Kubaparis
Im Ranking-Rausch: the art worlds most influential people…
Wer dominierte 2018 die Kunstwelt? Die Artreview hat ihr traditionelles Ranking der 100 Most important People der Kunstwelt veröffentlicht, angeführt vom Galeristen David Zwirner. Nach dem Maler Kerry James Marshall landete auf Platz Nummer 3 dieses Mal ausnahmsweise keine Person, sondern die #meetwo Bewegung, die auch die Kunstwelt durchgewirbelt hat.
Auch die Monopol hat ihre Liste der „Top 100“ der Kunstwelt bekannt gegeben. Hier landete der Fotograf Wolfgang Tillmanns auf Platz 1. Für Monopol ist der Künstler mit politischem Engagement das „role model der Gegenwart“. Auch ein Ranking, aber eher ein „Anti“- Ranking hat die Zeitschrift KubaParis veröffentlicht: „The 10 People Who Will Definitely Never Run the Art World, And Can Only Blame Themselves For It“.
Neue Zürcher Zeitung
Der Maler und Ministerpräsident Albaniens Edi Rama
Zu guter Letzt: Am 18. November (noch bis 6.1.2019) eröffnete die Kunsthalle Rostock eine Einzelausstellung von Edi Rama. Rama ist Ministerpräsident von Albanien und bestreitet derzeit seine zweite Amtszeit – aber er ist eben auch Künstler! Im Gespräch mit Antje Stahl für die Neue Zürcher Zeitung erzählt Rama, welches Potential er in der Kunst sieht: „Ich habe gesehen, dass Schönheit tatsächlich Probleme lösen kann und Menschen, Gemeinschaften und Städten dabei hilft, anders über sich selbst zu denken. Schönheit kann Kriminalität und Anarchie untergraben, so etwas wie Stolz, Identität und Zugehörigkeit vermitteln. In Tirana jedenfalls hatte sie diesen magischen Effekt.“
In diesem Sinne: einen schönen Dezember, voller Kunst!